Heike: “So wie es ist”

Meine Mutter war 57, als sie das erst Mal an Brustkrebs erkrankte. Das war 1997 und in dieser Zeit wurde noch sehr schnell amputiert. Sie hat nie darüber gesprochen, weder mit ihrem Mann noch mit ihren Töchtern. Ich habe weder ihre Narbe noch Ihre Prothese, die sie völlig selbstverständlich trug, je gesehen.

Meine Schwester war 48, als sie erkrankte. Das war 2011. Sie entschied sich für eine doppelte Mastektomie und einen Aufbau mit Expandern und hat es als sehr belastend empfunden. So zumindest sagte es mir mein Schwager, als sie schon gestorben war. Auch Ihre Narben habe ich nie gesehen.

Als ich 2015 (mit 49) selbst vor der Entscheidung stand, hatte ich die Stimme meines Schwagers noch im Ohr. Ich hatte nur einen kleinen Tumor, dessen Entfernung nicht weiter aufgefallen wäre, aber die darauf folgende BRCA2-Diagnose, dadurch die Aussicht auf Neuerkrankung, die Tatsache, dass ich eine alleinerziehende Mutter eines damals 10-jährigen Jungens war und schnell wieder funktionsfähig sein wollte, alles das machte mir die Entscheidung “Ablatio ohne Aufbau” sehr leicht und sehr plausibel. Auch die Vorstellung etwas “Künstliches” in meinem Körper verbaut zu sehen, schien mir abstoßend.

Meine Operateurin machte mir den Weg leicht, weil sie meine Entscheidung nie in Frage gestellt hat, ich wurde – ganz im Gegensatz zu anderen Weggefährtinnen – nie emotional unter Druck gesetzt oder anderweitig versucht zu beeinflussen. Gleichzeitig blieben die Wege offen, auch eine spätere Rekonstruktion. So wie es vermutlich auch ist…

Ich habe meine Entscheidung nie, wirklich nie bereut. Ich fühle mich wohl in meinem Körper. Ich weiß, dass ich nicht mehr den gesellschaftlichen Vorstellungen einer “perfekten” Frau entspreche, aber was soll ich sagen? Das habe ich eigentlich auch vorher nicht …

Ich sehe heute so aus, wie ich nur einmal bin. Eine Frau, nach einer Brustkrebserkrankung, mit der Info, eine Mutation zu tragen, die Brustkrebs nicht bekämpft, sondern zulässt, und mit einer Geschichte von gestorbenen und sehr geliebten Frauen. Ich muss nicht so tun, als hätte das alles nie stattgefunden. Ich sehe so aus, wie ich nur einmal bin. Und das ist gut so.

Foto: Julia Franken, juliafranken.com