Wie? Warum machen Sie denn keinen Brustaufbau?
Ist das wirklich ihr Wunsch? Also so zu bleiben? Ist das ihr freier Wille? Als junge Frau?
Da gibt’s ja ganz tolle Möglichkeiten. Sie können ja auch mit Eigenfett … Oder doch Silikon?
Na können Sie sich ja noch überlegen … Überlegen Sie sichs doch nochmal!
Warum genau soll ich überlegen? Damit ich in die Norm passe? Damit ich wieder „gesund“ aussehe? Damit ihr bei meinem Anblick nicht mit eurer eigenen Angst konfrontiert werdet? Oder einfach, weil Ihr Euch nicht vorstellen könnt, dass ich mich mit einer Brust einfach wundervoll und komplett fühle? Oder weil es im Protokoll steht? Wer hat gesagt, dass zwei Brüste schöner sind als eine oder keine? Wo steht das? Im Anatomiebuch? Im Internet? Im Brockhaus? Und kennt den noch jemand? Diesen Brockhaus?
Jede Frau geht diesen Weg anders. Ich weiß, dass es für viele Frauen stimmt, einen Brustaufbau zu machen. Für mich stimmt es nicht. Das scheint einige von Euch richtig hart zu irritieren. Oder warum ist das bei jedem Arztgespräch Thema? Vor allem weibliche Ärztinnen schlagen dann einen ganz ernsten, mitfühlenden Ton an: „Ich muss das fragen. Wollen sie das so lassen? Verstehn sie mich nicht falsch. Es ist natürlich ihre Entscheidung. Aber ist das wirklich ihr Wunsch? …“ Je öfter du mich fragst, desto stolzer strecke ich dir und der Welt meine Brust entgegen.
Ja ich will DAS SO lassen!
Schaut mich an.
Ich bin wunderschön.
Ich fühle mich weiblicher denn je.
Ich habe eine Geschichte, die mich erinnert, die mich mahnt. Ich bin die Summe meiner Erfahrungen. Eine dieser Erfahrungen zieht sich als Narbe über meinen linken Oberkörper. Ich liebe diese Narbe als Teil von mir. Ich werde mir nichts drauf setzen. Ich werde sie nicht verdecken, nicht verstecken. Das macht für mich einfach keinen Sinn. Ja, ich will DAS SO lassen!
Die Ärzt*innen waren sehr schnell sehr deutlich gewesen: „Die Brust muss ab. Der Krebs ist zu groß und sie haben ja nicht so viel Busen.“ Wie Bitte?! Frechheit! Ich geb Euch gleich nicht viel Busen. Qualität statt Quantität.
Schnitt.
Ablatio. Geben wir dem Kind also den Namen „Ablatio”.
Ich hatte mich relativ schnell damit abgefunden, dass dieser Schnitt ein nötiger Schritt für meine Heilung ist. Der Moment, als ich aber begriff, dass mir auch die Brustwarze mit abgenommen werden musste, zog mir den Boden weg. Puh. Ich musste eine Runde in den Innenhof der Uniklinik Erlangen gehen. Atmen. Weinen. Weiter Atmen. Dem Impuls wegzulaufen widerstehen. Das würde ja richtig krass aussehen. Wie mit dem Hai gekämpft.
Schnitt.
Nach der OP. Der Moment, als die Schwestern gemeinsam mit mir die Bandage abnehmen. Ganz vorsichtig. Alles ist noch sehr empfindlich. Ich habe Angst. Wie wird es mir gehen mit meiner neuen Form? Ich gucke nicht hin. Ich traue mich nicht. Habe Angst, dass mich mein neues Sein abschreckt. Dass ich mich ablehne. Dass ich mich vor mir selbst erschrecke. Ich sehe nicht hin, als könnte mein nicht hinsehen die Tatsachen verändern, die Zeit zurückdrehen, das Geschehene ungeschehen machen.
Es ist wie in zu kaltes Wasser gehen. Bis zum Bauchnabel im Wasser stehen und sich nicht trauen hineinzuspringen.
Also. Auf drei. Eins. Zwei. Drei.
Ich springe. Ich schaue an mir herunter.
Und …
es überkommt mich eine große Erleichterung und Freude: Ich bin schön. Ich bin makellos.
I woke up like this: FLAWLESS.
Foto: Esra Rotthoff esrarotthoff.com