Brustkrebs bei Männern ist selten: Doch eine von 100 Brustkrebsneuerkrankungen betrifft einen Mann. Hier erzählt Bernd seine Geschichte:
Mitte März 2023 bekam ich die Diagnose Brustkrebs – und es waren wirklich glückliche Zufälle, dass er überhaupt entdeckt wurde:
Ich hatte im Februar beim Sport einen heftigen Stoß gegen die rechte Brust bekommen. Es hatte sich in Folge dessen ein Hämatom neben der Brustwarze gebildet und ich bemerkte an der gleichen Stelle auch eine Verhärtung unter der Haut. Nun dachte ich natürlich, dass diese Verhärtung eine Folge des Stoßes sei (Schwellung in der Tiefe der Brustmuskulatur oder so was in der Richtung) und habe mir auch keine weiteren Gedanken gemacht. Das Hämatom war nach etwas über einer Woche wieder weg, die verhärtete, deutlich tastbare Stelle jedoch blieb. Auch das war für mich noch kein Alarmsignal, da ich es nach wie vor für eine Folge dieser Sportverletzung hielt, die eben einfach noch etwas Zeit braucht, um sich wieder zurückzubilden.
Nun hatte ich in einer ganz anderen Angelegenheit, nämlich wegen eines kleinen, aber ziemlich hartnäckigen Ekzems, Mitte März einen Termin in der Dermatologie der Uni- Klinik Bonn. Nach der entsprechenden Behandlung fragte ich die Ärztin, ob sie noch kurz Zeit hätte, sich mal eben diese verhärtete Stelle an meiner Brust anzuschauen. Sie tastete ab, es kam ihr merkwürdig vor und deshalb machte sie noch kurzerhand eine Sonographie. Ich konnte sehen, wie dabei ihr Gesichtsausdruck immer besorgter wurde. Ihre Verdachtsdiagnose: Brustkrebs!
Ich wollte es erst kaum glauben, hielt es für eine übervorsichtige Diagnose dieser noch recht jungen Ärztin, die ja auch zudem einer anderen Fachrichtung angehörte und somit keine Brustkrebsspezialistin war, aber sie machte sogleich einen Termin für mich aus in der Uni- Frauenklinik, Abteilung Senologie.
Ich ging noch ziemlich optimistisch dort hin, mit der selbstberuhigenden Vorstellung, dass die Dermatologin sich sicher mit ihrem Verdacht geirrt hat und das Brustzentrum als „Spezialisten“ dann Entwarnung geben würde.
Schon drei Tage später war es so weit: Ich saß im Wartezimmer, mit lauter Frauen zusammen und kam mir dort ziemlich fremd vor. Es erfolgte dann eine Mammographie, noch mal Sonographie, und das für mich bis dahin „Undenkbare“ wurde mir eröffnet: Es ist Brustkrebs!
Mir war zwar grundsätzlich bekannt, dass dieser auch bei Männern auftreten kann, aber wie so viele (noch) Gesunde war ich immer – sicher auch aus Selbstschutz – in dem Glauben: „Krebs, das kriegen die Anderen, aber doch nicht ich!“
Und auf den Gedanken, regelmäßig selbst meine Brüste abzutasten, bin ich schon gleich gar nicht gekommen.
Da die in gleicher Sitzung durchgeführte Biopsie einen Östrogenrezeptor-positiven Tumor ergab, wurde eine Behandlung mit Tamoxifen eingeleitet. Das folgende Tumor- Staging (CT, MRT, Skelettszintigraphie) ergab glücklicherweise keinen Anhalt für Fernmetastasen, auch ließen sich sonographisch keine suspekten axillären Lymphknoten finden. Eine präoperative Chemotherapie wurde daher erst mal nicht erwogen.
Als Behandlungsoptionen wurde mir zwei Möglichkeiten vorgeschlagen: brusterhaltende OP, dann aber mit postoperativer Bestrahlung, oder Mastektomie, wobei dann die Bestrahlung voraussichtlich verzichtbar wäre. Hier brauchte ich keine Bedenkzeit, die Entscheidung traf ich sofort: Wenn, dann Mastektomie und die andere Brust gleich mit! Eine Bestrahlung wollte ich unbedingt vermeiden.
Auch wenn ich als Mann naturgemäß nur kleine „Brüstchen“ habe, hätte es mein Körperbild doch mehr gestört, wenn da nur noch einseitig eine Brust vorhanden wäre und auf der anderen Seite nur noch eine Narbe. Und darüber hinaus, auch wenn ein vor der OP durchgeführter Gentest keine Mutation der BRCA – Gene erkennen ließ, dachte ich mir: „Was nicht mehr da ist, kann auch keinen Krebs bekommen.“
Zwei Tage vor meinem 61. Geburtstag, Ende April, erfolgte dann die OP.
Da auch die entnommenen Sentinel- Lymphknoten tumorfrei waren, war auch keine postoperative Chemo notwendig, überdies hatte der „Oncotype DX“- Test zwischenzeitlich ergeben, dass eine Chemo ohnehin keinen sonderlichen Nutzen hätte.
Der Heilungsverlauf war sehr gut, schon am 3. bzw. 4. Tag konnten die Drainagen entfernt werden, ich durfte wieder nach Hause, musste jedoch (wie wahrscheinlich auch alle Frauen nach Mastektomie) noch einige Wochen lang einen Kompressions- BH tragen – für mich als Mann ein doch etwas befremdliches Gefühl, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Jetzt, Anfang 2025, liegt dies nun alles rund 2 Jahre zurück, zu meiner Entscheidung der beidseitigen Ablatio stehe ich immer noch ohne Wenn und Aber, ich gehe regelmäßig zu meinen Nachsorgeterminen und nehme brav meine 20 mg Tamoxifen jeden Tag ein. Bis jetzt ging alles gut – und ich hoffe, dass das auch ganz, ganz lange so bleibt!
Um für mich diese im Frühjahr 2023 erlebte „Ausnahmesituation“ zu verarbeiten, war es mir damals irgendwie hilfreich, meine Gedanken nach der Diagnose und unmittelbar vor und nach der OP in Form von ein paar kleinen Videoclips zu dokumentieren. Ich hatte während der Corona- Zeit, eigentlich mehr aus Langeweile, mal einen Kanal auf Youtube angelegt, den ich zu diesem Zweck dann „reaktiviert“ habe. Wer mag, kann hier gerne mal reinschauen.
Und – zu guter Letzt – noch eine weitere „Zufallsdiagnose“ mit noch etwas gravierenderen Auswirkungen:
Während des Brustkrebs- Tumor- Stagings 2023 wurde im CT als Nebenbefund eine „ausgedehnte Raumforderung“ im Bauchraum entdeckt. Das nachfolgende MRT ergab dann den Befund „retroperitoneales Liposarkom“. Mein vermeintliches kleines Bier- Bäuchlein war in Wirklichkeit ein vollkommen symptomloser Tumor von der Größe eines Ziegelsteins! Mitte Mai 2023 lag ich also wieder auf dem OP- Tisch und volle zwei Wochen stationär. Ergebnis: rechte Niere weg, halber Dickdarm weg, Tumor natürlich auch – und nochmal eine lange Narbe, diesmal an meinem Bauch. Wie man sieht, habe ich auch das überstanden, aber mein Bedarf an „Zufallsdiagnosen“ ist erst mal gedeckt.
Andererseits: ohne diese ganzen Zufälle würde ich vielleicht diese Zeilen nicht mehr schreiben können…
Auf der Webseite des Netzwerk Männer mit Brustkrebs e. V. finden Betroffene weitere Informationen und können sich auch in einem Forum austauschen.